Der Preisdruck bei den Medikamenten wächst. Aber nicht überall. «Specialty Care» heisst das Geschäft, das der Pharmaindustrie nach wie vor Milliarden in die Kassen spült. Das sind Medikamente, die vorwiegend in Spitälern zum Einsatz kommen, wie etwa Krebsmedikamente. Weil es dafür meist keine Alternative gibt, bleibt den Patienten nichts anderes übrig, als zu bezahlen. Was sie angesichts ihrer schwer wiegenden Krankheit auch tun.
Trotzdem sägt die Pharmaindustrie langsam am Ast, auf dem sie sitzt. Die Kosten für Krebsbehandlungen schnellen nämlich in einer Art in die Höhe, dass sich Ärzte wie Patienten zu fragen beginnen, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch stimmt. Heilung bringen nämlich auch die hochgelobten neuen Medikamente, wie etwa das Avastin von Roche, nicht. Auch sie erreichen lediglich eine Lebensverlängerung von einigen Monaten. Kostete Mitte der 1990er Jahre eine Chemotherapie bei Dickdarmkrebs noch etwa 63 Dollar pro Monat, sind es heute zum Beispiel für Avastin 5000 Dollar pro Monat.
Mit den Entwicklungskosten lassen sich die horrenden Preise nicht mehr rechtfertigen. Vielmehr muss man hinter der Preispolitik ein schamloses Ausnützen der Marktsituation vermuten. Das ist ungehörig. Bei allem Verständnis dafür, dass die Pharmaindustrie, wie andere Industriezweige auch, gewinnorientiert arbeiten muss und soll, werden die Preise für neue Medikamente langsam zum Raubzug auf die Sozialversicherungen, der ein schlechtes Licht auf die Verantwortlichen wirft. Zusammen mit den exorbitanten Salärbezügen etwa von Daniel Vasella wahrlich Stoff nicht nur für die Medien, sondern wohl bald auch für die Gesundheitspolitiker.
Quelle: NZZ am Sonntag vom 5. Februar 2006