Informiert im Gesundheitswesen

Der Preisüberwacher ist auf einem Auge blind

Two hands clasped arm wrestling (strong and weak), Unequal matchDie Kosten im Gesundheitswesen steigen bei den Spitälern, bei den Ärzten und ganz massiv bei den hochpreisigen Medikamenten. Und was macht der Preisüberwacher? Er verpulvert Steuergelder für eine Studie über den Seifenpreis!

Hier ein paar Fakten zum Nachrechnen bzw. Nachdenken:

Zwischen 2003 und 2015 ist der durchschnittliche Publikumspreis der SL-Produkte um 84,7% gestiegen. 2003 lag der Durchschnittspreis bei CHF 104.67, 2015 bei CHF 193.28. Der Grund für diese Entwicklung liegt nicht etwa bei den gängigen, breit angewendeten Medikamenten. Die Kostensteigerung beruht auf der Einführung hochpreisiger Produkte.

Die 10 billigsten Produkte sind noch billiger geworden und die 50 billigsten sind pro Jahr nur 0.2% teurer geworden.

Die Produkte bis zu einem Publikumspreis (PP) von CHF 1000 sind nicht für die Kostensteigerung verantwortlich. 2003 betrug der durchschnittliche PP in dieser Kategorie CHF 74.02, 2015 CHF 84.47. Dies entspricht einer Zunahme von 14.1% bzw. 1.1% pro Jahr.

Dasselbe Bild zeigen die Zahlen betreffend Anzahl verkaufter Packungen. 2008 wurden in der Schweiz rund 99 Mio. Packungen zu einem Ex-factory-Preis bis zu CHF 880 im Gesamtwert von 3,02 Milliarden Franken verkauft. Im Jahr 2014 wurden rund 120 Millionen Packungen von Medikamenten dieser Preiskategorie zu einem Gesamtwert von 3,2 Milliarden Franken verkauft.

Steigerung Anzahl verkaufter Packungen: + 21 Prozent

Steigerung Gesamtwert: + 6 Prozent

Zum Vergleich: Der Durchschnittspreis der 10 teuersten Präparate ist zwischen 2003 und 2015 um 424.2% gestiegen! 2003 kostete das teuerste Präparat CHF 4974, 2015 fast CHF 25‘000.

Es ist klar, dass neue Produkte Fortschritt bringen und damit Krankheiten behandelt werden können, die bis jetzt nicht behandelbar waren. Die Frage muss jedoch erlaubt sein, zu welchem Preis dies hingenommen werden kann. In der Schweiz leiden 80’000 Personen an Hepatitis C. Würde man alle von ihnen mit den neuesten Medikamenten behandeln, entstünden für jeden Patienten Therapiekosten von CHF 46‘000. Allein diese Patientengruppe würde die Krankenversicherung mit 3.7 Milliarden Franken belasten! Das sprengt jedes Mass.

Wie lukrativ das Geschäft für die Pharmaindustrie ist und wie sie mit emotionalem Druck auf das BAG und die Bevölkerung ihren Geschäftszweig tatkräftig ausbaut, zeigt das Beispiel «Positivrat Schweiz» (www.positivrat.ch), ein «Fachgremium, welches sich für die Interessen der Menschen mit HIV und Ko-Infektionen wie Hepatitis B, C und Tuberkulose einsetzt.». Diese Lobbyorganisation wurde im Dezember 2010 gegründet. Gemäss seinen Statuten verfolgt der Positivrat «keine kommerziellen Zwecke und erstrebt keinen Gewinn». Seine Statements sprechen aber eine unmissverständliche Sprache. Da wird «das Ende der zynischen Preispolitik» gefordert, zum Welt-Hepatitis-Tag vom 28. Juli heisst es «Die Schweiz muss endlich aufwachen», und das BAG und die Krankenkassen werden massiv unter Druck gesetzt mit dem Titel «Verweigerte Kostengutsprachen durch Krankenkassen», weil das BAG eine Limitation der teuren Hepatitis-C-Medikamente auf schwere Fälle verfügt hat.

Der Positivrat ist nicht etwa eine Grossorganisation Er besteht gemäss eigenen Angaben aus 18 «Vollmitgliedern» und 5 «prov. Mitgliedern», Stand Juni 2015. Darunter seien auch «Personen, die mit Hepatitis C leben».

Ebenso interessant ist der Blick auf die Sponsorenliste. Dort figurieren die Firmen Abbvie, Gilead, Bristol-Myers Squibb, Janssen, MSD und ViiV-Healthcare.

Das ergibt je einen Sponsoren für 3 Mitglieder! Und da sollen keine kommerziellen Zwecke dahinter stecken und kein Gewinn erstrebt werden?

Wie wäre es, wenn der Preisüberwacher bei solch seltsamen «Patientenforen» wie dem Positivrat mal etwas genauer hinschauen würde?

Weiterer Druck auf die Tiefpreis-Medikamente ist kontraproduktiv. Produkte mit einem Publikumspreis unter CHF 5.00 sind nicht wirtschaftlich. Das Beispiel Dafalgan Sirup für Kinder zeigt, welch schädliche Entwicklungen der staatliche Preisdruck im Tiefpreissegment fördert. Der Publikumspreis für dieses bewährte, breit angewendete Medikament wurde von CHF 6.65 auf CHF 2.25 gesenkt. Damit spart man bei einem Volumen von 285’000 Packungen zwar 1.2 Millionen Franken, riskiert aber, dass das Produkt vom Markt gezogen und durch wesentlich teurere Präparate ersetzt wird. Und die Einsparung bei 285‘000 Behandlungen von Fieber und Schmerzen bei Kindern wird durch 50 Packungen des teuersten im Handel befindlichen Produkte zunichte gemacht! Die Diskussion über die Verhältnismässigkeit von Behandlungskosten wird geführt werden müssen!

http://www.positivrat.ch/cms/

7. Oktober 2015

Foto © kalcutta Fotolia.com

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