Informiert im Gesundheitswesen

Referenzpreise – weiss der Bundesrat, was er tut?

Fotolia_9682564_XSDer Preisüberwacher geisterte kürzlich wieder einmal durch alle Medienkanäle. Er hat 20 Generika einer einzigen Firma mit den Preisen derselben Produkte im Ausland verglichen und aus seiner «Studie» den messerscharfen Schluss gezogen, dass die Schweiz ein Festbetragssystem brauche. Und damit man nicht allzu viel rechnen muss, schlägt er vor, einfach den Preis des billigsten Generikums als Referenzpreis einzusetzen. Wer ein anderes Generikum will oder gar ein Originalprodukt, soll gefälligst in die eigene Tasche greifen. Es sieht ganz so aus, dass der Bundesrat diesen Irrweg tatsächlich beschreiten will. Was er dabei geflissentlich ausblendet, sind folgende Fakten:

Die «Studie» des Preisüberwachers basiert auf einem sehr tiefen Euro-Kurs von 1.04, vergleicht Publikums- statt Fabrikabgabepreise und klammert Vertriebsmargen und Abgabepauschalen aus. Ob bewusst oder aus Unwissen, sei dahingestellt. Bedenklich sind solche irreführenden Halbwahrheiten von einem Beamten, der das Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung geniesst, allemal.

  • Wenn die Versicherer nur noch den auf dem billigsten Produkt basierenden Festbetrag bezahlen, sind Arzt, Apotheker und Patient nicht mehr frei bei der Wahl der Medikamente. De facto entfällt jegliche Therapiefreiheit. Der Patient hat das billigste Produkt zu schlucken, egal ob die Darreichungsform seinen Bedürfnissen entspricht und die Dosierung für ihn stimmt.
  • Generika mit demselben Wirkstoff sind nicht identisch. Sie unterscheiden sich in Darreichungsform, Verpackung und biologischer Verfügbarkeit ihrer Wirkstoffe. Besonders bei hochwirksamen Substanzen kann dies zu spürbaren und unter Umständen gefährlichen Therapieschwankungen kommen.
  • Der erzwungene Wechsel von einem Generikum zum anderen führt zu einer verschlechterten Therapietreue, zu Verwechslungen und unter Umständen zur Mehrfacheinnahme desselben Wirkstoffs. Mehrkosten aufgrund vermehrter Konsultationen und Hospitalisationen sind bei aufgezwungenen Medikamentenwechseln programmiert.
  • Das Festpreissystem ist ein Innovationskiller. Die Entwicklung von patientenfreundlichen Darreichungsformen lohnen sich nicht. Der tiefste Preis ist das alles bestimmende Kriterium.

In Deutschland wurden die Festbeträge 1989 eingeführt. Seither wurde die Preisspirale stetig nach unten geschraubt, mit negativen Folgen wie:

  • Generikafirmen gehen davon aus, dass sie wegen des Kostendrucks etwa 20 Prozent ihrer Produkte in Deutschland nicht mehr anbieten können. (Im kleinen Schweizer Markt dürfte sich diese Problematik noch zusätzlich verschärfen. Therapievielfalt ade!)
  • In Umstellungsphasen kommt es regelmässig zu Versorgungslücken. Parkinsonpatienten, Herzpatienten, Diabetiker, Patienten mit psychischen Erkrankungen und viele mehr haben das Nachsehen. (Versorgungssicherheit ade!)
  • Die führenden zehn Hersteller im Rabattvertragsmarkt halten 73 Prozent der Marktanteile (Gesunder Wettbewerb ade!)

Angesichts dieser äusserst unerfreulichen und aus der Erfahrung in anderen Ländern erwiesenen negativen Entwicklung fragt man sich, ob der Bundesrat weiss, was er mit dem unsozialen Festbetragssystem einzuführen gedenkt. Die Antwort lautet: Nein, er weiss es offenbar nicht oder blendet alle Fakten aus, die nicht ins Konzept passen.

13. Oktober 2015

Foto © Dron Fotolia.com

 

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