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Santésuisse setzt weiterhin auf Stimmungsmache

traffic jam on highway with red backlights shining

Es ist eigentlich nichts Neues, dass Santésuisse mit zusammengeschusterten «Studien» und Provokationen an die Öffentlichkeit tritt. Neueste Aktion: Santésuisse-Direktorin Verena Nold schickt die Patienten ins Ausland. Sie sollen dort ihre Generika einkaufen. Das ist eine Unverschämtheit. Nicht nur, weil immer noch gilt, dass Krankenkassen nur Leistungen, die in der Schweiz erbracht werden, vergüten dürfen. Auch sonst ist diese Aussage ein Affront. Soll sich Oma Meier aus dem Emmental nun schlecht fühlen, weil sie beim besten Willen nicht nach Deutschland fahren kann, um dort ihre Medikamente einzukaufen? Und wem verrechnet Onkel Sepp die Benzinkosten, wenn er wegen einer letztlich lächerlichen Einsparung auf ein ohnehin schon tiefpreisiges Medikament (Durchschnittspreis in der Schweiz: 27 Franken ex factory!) nach Konstanz fahren muss? (Das hochpreisige Hepatitis-C-Präparat wird man ihm ja sicherlich hier im Spital abgeben.) Ganz abgesehen von der katastrophalen CO2-Bilanz, die sein Abstecher ins Ausland mit sich bringt.

In einem Interview mit dem Blick holt Verena Nold auch sonst zu einem Rundumschlag aus. Locker vermischt sie die Preise von Hepatitis-Medikamenten mit jenen von Generika. «Die Preistreiber sind die exorbitanten Preise für neue Medikamente», sagt sie und führt als Beispiel Sovaldi an, das für eine dreimonatige Behandlung 70‘000 Franken kostet. Für einen einzigen Patienten. Das ist exorbitant, da hat Frau Nold recht. Aber wenn sie dann daraus folgert: «Und die führen am Schluss dazu, dass die Medikamentenpreise so hoch sind», dann ist das ganz einfach Stimmungsmache. 3-min.info hat schon mehrmals darauf hingewiesen, dass man unterscheiden muss zwischen hochpreisigen Medikamenten wie Sovaldi und jenen, die breite Anwendung finden und inzwischen dank staatlichem Preisdiktat teilweise so tief sind, dass die Herstellerfirmen sie vom Markt nehmen!

Grosszügig geht man bei Santésuisse bekanntlich auch mit dem angeblich möglichen Sparpotential bei den Medikamenten um. Da werden locker dreistellige Millionenbeträge genannt. Im Blick-Interview redet Frau Nold sogar von über einer Milliarde Franken! Machen wir uns klar, wovon die Frau spricht:

Gesamtkosten für Medikamente in der Schweiz: 6,3 Milliarden Franken. Der Generikaanteil beträgt gemäss Intergenerika rund 3 Prozent. Es geht also um 190 Millionen Franken. Und damit will Frau Nold mehr als eine Milliarde sparen? Bemerkenswerte Rechnung!

Aber nehmen wir mal an, Frau Nold will die Versicherten für alle tiefpreisigen Medikamente ins Ausland pilgern lassen. Der Durchschnittspreis dieser Medikamentenkategorie (bis max. CHF 800) liegt wie gesagt bei rund CHF 27 ex factory. Seien wir grosszügig und nehmen wir für unsere Rechnung einen durchschnittlichen Verkaufspreis von CHF 35 an. Laut Frau Nold liegt die Preisdifferenz bei Originalpräparaten bei 15 Prozent. (Die drei Prozent Generika lassen wir der Einfachheit halber mal weg, auch wenn bei diesen drei Prozent angeblich die Hälfte gespart werden könnte. Aber die Hälfte von drei Prozent macht nun mal nicht mehr als mickrige 1,5 Prozent.)

Onkel Sepp spart also für sein im Ausland gekauftes Medikament CHF 5.25. Damit Verena Nolds Rechnung mit der eingesparten Milliarde aufgeht, müsste Onkel Sepp 192 Millionen Packungen kaufen. Auch wenn ihm die ganze Schweiz mithilft, dürfte das schwierig werden. Bei aller Masseneinwanderung, mehr als acht Millionen Einwohner kriegen wir derzeit nicht zusammen. Ganz abgesehen von den Staus an der deutschen Grenze, wenn wir alle wegen jedem Fünfliber Sparpotential nach Deutschland brausen.

Machen wir zudem noch kurz die persönliche Bilanz von Onkel Sepp. Ein Liter Benzin kostet ca. CHF 1.30. Durchschnittlicher Benzinverbrauch aller im Jahr 2012 neu zugelassenen Personenwagen in der Schweiz: 6,21 Liter pro 100 Kilometer (Quelle: Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure, auto-schweiz). Wenn Onkel Sepp vier Liter Benzin verbraucht, was für knapp 70 Kilometer reicht, hat er bereits so viel Benzin verpufft, wie er für die Krankenkasse gespart hat. Das Bier und den Znüni sollte er so oder so von zu Hause mitnehmen, sonst gerät die Rechnung vollends aus den Fugen. Und Achtung, nicht über Bregenz nach Deutschland fahren! Dort kostet die Autobahnvignette für das kurze Stück österreichische Autobahn auch für Einkaufstouristen gnadenlos acht Euro.

Möge uns das Jahr 2016 vom blinden Sparwahn verschonen! Und falls jemand einen überzähligen Taschenrechner hat: Schenken Sie ihn Frau Nold. Danke.

http://www.blick.ch/news/wirtschaft/santesuisse-chefin-verena-nold-provoziert-kaufen-sie-generika-im-ausland-id4469049.html

28. Dezember 2015

Foto © digitalstock Fotolia.com

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