Informiert im Gesundheitswesen

Unpersönlicher Versandhandel ist kein Pfeiler der Grundversorgung

Fotolia_78076347_XSKaum war das neue HMG verabschiedet, kam eine geballte Ladung an Klageliedern aus der Umgebung von Walter Oberhänsli, CEO des Medikamentenversandhandels Zur Rose. Zur exakt selben Zeit schickten der Verband des Schweizerischen Versandhandels VSV ASVAD und der Verband der Schweizerischen Versandapotheken VSVA je eine Medienmitteilung ins Netz. Das neue HMG halte an alten Zöpfen fest, einzige Gewinnerinn des neuen Gesetzes sei die Bürokratie, weinte der VSVA dem Leser ins Gilet. Es wird von «antiquierten Versorgungsmodellen» geredet (gemeint ist der «Ladenbesuchszwang», wie man bei den Versandhändlern und bei Zur Rose die persönliche Beratung in der lokalen Offizinapotheke nennt – danke für die Blumen!), und der VSV ASVAD bemüht gar den Begriff Diskriminierung. Ein starkes Stück. Soll das nun heissen, dass jeder, der sich an ein Gesetz halten muss, «diskriminiert» wird?

Zur Rose doppelte eine Stunde später mit einer eigenen Medienmitteilung nach. Ob man dort den Zeitpunkt verschlafen hat oder ob die zeitliche Verschiebung zu den Verbänden Absicht war, weiss man nicht. Sicherlich reichte die Zeitverzögerung nicht aus, um zu vernebeln, dass letztlich alle drei Medienmitteilungen aus derselben Küche stammten. Auch bei Zur Rose griff man tief in die Schublade des Wut- und Schimpfvokabulars. Von Schikanen, einer ewiggestrigem und rückwärtsgewandten Gesetzesbestimmung und verpassten Chancen ist die Rede. Zur Rose versteigt sich gar zur Behauptung, mit der Einschränkung des Versandhandels habe man das Gemeinwohl und die Medikamentensicherheit Einzelinteressen geopfert. Wer den Text liest, muss davon ausgehen, dass der Untergang der Versorgung mit Medikamenten kurz bevorsteht. Die Offizinapotheken werden, falls sie überhaupt erwähnt werden, durchwegs als banale Ladenbesitzer abgetan, die sich jeglichem Kundenservice verschliessen. Was für eine bösartige Unterstellung! Zum Glück hat der Gesetzgeber ein differenzierteres Bild vom Offizinapotheker und offensichtlich auch mehr Ahnung davon, was diese Berufsgattung in der persönlichen, lokal verankerten Grundversorgung Tag für Tag leistet.

Es gibt in der Schweiz mehr als 1700 öffentliche Apotheken, verteilt über das ganze Land. Und in jeder dieser öffentlichen Apotheke arbeitet mindestens eine Apothekerin oder ein Apotheker und bestens ausgewiesenes Fachpersonal aus Fleisch und Blut. Diese Fachleute beraten ihre Kunden persönlich und kennen sie in vielen Fällen auch persönlich bzw. können sich aufgrund des persönlichen, direkten Kontakts ein Bild von der Person machen, die ein Medikament zu kaufen wünscht.

Diesen direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht wünscht der Gesetzgeber beim Verkauf von Medikamenten, auch von nicht-rezeptpflichtigen. Darum setzt er dem Versandhandel zum Schutz der Konsumenten Schranken. Die Grundversorgung funktioniert wunderbar ohne Versandhandel, aber nicht ohne die lokalen, öffentlichen Apotheken.

29. März 2016

Foto © nikbu Fotolia.com

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