Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Offizinapotheker sind alles andere als rosig. Dennoch eröffnen sich den Pharmazeuten neue Chancen. Viele Ärzte scheuen zwar den Kontakt mit ihnen immer noch wie der Teufel das Weihwasser und verunglimpfen sie als unwissende Dummköpfe. Doch die Zeichen der Zeit stehen anders. Hausärzteschwund, Kostendruck im Gesundheitswesen, alternde Bevölkerung mit entsprechendem Bedarf an Betreuungsleistungen und die Forderung nach niederschwelligem Zugang zu Prävention und Selbstmedikation sind Anlass, manche Aufgaben neu zu verteilen. Unterstützung erhalten die Apotheker derzeit teilweise von der Politik. Bei anderen Akteuren braucht es offensichtlich noch einiges an Einsicht.
Die Pharmafirmen verlegen sich zunehmend auf hochpreisige Medikamente. Stichwort seltene Krankheiten. Dies erhöht den Spardruck auf die breit angewendeten Medikamente weiter. Ausserdem werden Spezialmedikamente immer häufiger an der Apotheke vorbei gehandelt. und immer mehr Spitäler gliedern ihrem Betrieb eine öffentliche Apotheke an und konkurrenzieren damit die privatwirtschaftlich betriebenen Apotheken. Das ist eine ungute Entwicklung, weil sie die Apotheke als wichtigen Pfeiler der Grundversorgung schwächt.
Der Apotheke bleibt – zumindest in den Kantonen ohne SD – der Verkauf tiefpreisiger Arzneimittel inklusive Generika. Diese fallen zwar in steigenden Mengen an Einzelpackungen an, aber mit weiterhin sinkenden Preisen. Für die Apotheke heisst das nichts anderes als mehr Arbeit für Bestellungen, Wareneingangskontrolle, Lagerbewirtschaftung, Fakturierung etc. für weniger Geld. Mehr Arbeit bedeutet mehr Personal und damit mehr Kosten. Im Jahr 2006 kam eine Apotheke mir durchschnittlich 3,25 Vollzeitstellen für Pharma-Assistentinnen und Praktikanten aus, heute stehen durchschnittlich 3,53 Vollzeitstellen auf der Lohnliste. Mit Schweizer Löhnen und Schweizer Kosten für Infrastruktur, Mieten und Administration (so viel zu Sinn und Unsinn von Länderkörben zur Festsetzung von Schweizer Medikamentenpreisen).
Seltsam wenig Aufmerksamkeit erhält bei den ganzen Diskussionen die Verschwendung von Medikamenten. Das IMS Institute for Healthcare Informatics schätzt, dass durch eine Optimierung beim Einsatz von Medikamenten weltweit jährlich 475 Milliarden US-Dollar eingespart werden könnten. Gründe für die Vergeudung von Arzneimitteln sind Non-Compliance (57%), übermässiger Einsatz von Antibiotika (11%), Medikationsfehler (9%), suboptimaler Einsatz von Generika (6%) und übertriebene Polymedikation (4%), alles Faktoren, bei denen die Apotheker viel zur Verbesserung beitragen könnten. Und dies notabene ohne Leistungs- oder Qualitätsabbau! Patienten, die falsche oder zu viele Medikamente erhalten, sind schlecht betreute Patienten, die ausserdem wegen Komplikationen unter Umständen zusätzliche Kosten verursachen. Die Apotheker könnten mit ihrem spezifischen und notabene universitären Fachwissen Patienten motivieren und informieren und Vertrauen schaffen (Compliance), Unstimmigkeiten bei der Medikation klären (Medikationsfehler, übermässiger Einsatz von Antibiotika, Polymedikation) und auch gegenüber anderen Medizinalpersonen beratend wirken. Die Politik hat erste Schritte gemacht und den Apotheken mehr Kompetenzen zugestanden. Es wäre schön, wenn sich die Einsicht, dass das Potenzial der Apotheken genutzt werden sollte, in weiteren Kreisen festigen würde. Die Apotheker zeigen mehr denn je, dass sie bereit sind, sich für neue Aufgaben mit Fachwissen, Infrastruktur und Engagement fit zu halten. Voraussetzung ist allerdings auch, dass ihre Dienstleistungen entsprechend entschädigt werden.
31. Mai 2016
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