In der Schweiz durften HIV-Tests bis anhin nur in einem professionellen Umfeld, also beim Arzt oder in einem Spital, durchgeführt werden. Und dann plötzlich kommt am 18. Juni aus heiterem Himmel die Medienmitteilung des BAG: «Ab dem 19. Juni dürfen HIV-Tests zur Eigenanwendung, sogenannte HIV-Selbsttests, verkauft werden.»
Die Fachwelt staunt. Niemand vom BAG hielt es für nötig, sie vorab zu informieren und sie in die Vorbereitung zur konkreten Umsetzung einzubeziehen. Ein HIV-Selbsttest ist ja schliesslich kein harmloser Vorsorgetest. Er setzt eine ausführliche Instruktion des Anwenders voraus, und ein positiver Test ist ja auch ein bisschen einschneidender als ein grenzwertiger Cholesterinwert.
Das sieht man in den Amtsstuben des BAG offenbar seit neuestem anders. Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten des BAG, meint lapidar, der HIV-Test sei «vergleichbar mit dem Verkauf eines Schwangerschaftstests». Von den Argumenten für das bisherige Verbot, den HIV-Tests zur Eigenanwendung zu verkaufen, will man beim BAG nichts mehr wissen. Der Vorbehalt, dass die Qualität der Diagnose, Beratung und Therapie einer so schwerwiegenden Infektionskrankheit nicht erfüllt sei, wenn jedermann den Test zu Hause machen könne – das war beim BAG gestern.
Interessant ist auch die Begründung, warum die Fachwelt nicht einbezogen wurde. Man sei «der strikten Geheimhaltung verpflichtet» gewesen, «weil sämtliche im Wettbewerb stehenden Abgabestellen gleichbehandelt werden müssten». Aha. Das heisst dann wohl im Klartext, vorgesehene Verkaufsstellen wie Migros, Coop und Kioskbetreiber hätten fachlich nichts zum HIV-Test beitragen können, und deshalb durften auch Apotheker und Ärzte nichts dazu sagen. Interessantes Argument!
Auch der Vergleich mit dem Schwangerschaftstest ist reichlich unpassend. Ein positiver Schwangerschaftstest ist eine andere Sache als ein positiver HIV-Test. Der Einbezug von Fachpersonen wäre bei einem so schwerwiegenden und einschneidenden Befund wie HIV nach wie vor angebracht.
Wie sich der Schnellschuss des BAG auswirken wird, wird sich zeigen. Bei Migros, Coop et al. wird sich der HIV-Test wahrscheinlich nicht als Renner entpuppen. Wer befürchtet, sich angesteckt zu haben, hat kaum das Bedürfnis, sich mit einem solchen Test im Einkaufswagen an die Kasse zu stellen. Und die Apotheker werden die Qualität der angebotenen Tests genau unter die Lupe nehmen, bevor sie sie verkaufen, denn sie sind sich ihrer Verantwortung und der Auswirkungen für die Anwender bewusst, die solche Tests mit sich bringen.