Im Brennpunkt 03/2020 fordert Heinz Brand – Präsident von santésuisse – die Volksvertreter auf, im Sinne der Wählerinnen und Wähler, für das Referenzpreissystem zu stimmen. Nur macht er das mit manipulativen Zahlen und Vergleichen. Im Zeitalter von Donald Trump scheint es offenbar legitim zu sein, mit falschen Fakten die Meinungen der Leute zu manipulieren. Wir finden das aber für einen einflussreichen Verband und Politiker in der Schweiz verwerflich.
Im besagten Artikel wird eine Graphik gezeigt, wo sich die Schweiz mit 23 Prozent Generikaanteil an letzter Stelle befindet. Es wird aber nicht erwähnt, dass es sich dabei um keine standardisierte Statistik der OECD handelt, so dass deren Vergleichbarkeit nicht a priori gegeben ist. In ihren Publikationen weist die OECD selbst auf diese Problematik auch immer wieder hin.
Um dies auf einfache Weise zu veranschaulichen, was das bedeutet, kann man den Vergleich der täglichen Covid-19 Ansteckungen der Schweiz und Deutschland nehmen. Deutschland verzeichnet am 2. Oktober 2’673 neue Ansteckungen, die Schweiz 552. Wie gut wir Schweizer doch sind!
Bei diesem Vergleich würde wohl fast keiner reinfallen, weil klar ist, dass es in Deutschland ca. 10-mal mehr Einwohner hat und das Ganze dadurch relativiert wird. Aber auch diese Zahlen lassen sich nicht direkt vergleichen, weil auch die Anzahl Tests, welche in beiden Ländern gemacht werden, auf einen Vergleich Einfluss haben.
Man sieht an diesem Beispiel gut, dass es nicht einfach ist, Zahlen zu vergleichen, wenn die Voraussetzungen der Basis, etc. nicht gleich und standardisiert sind. Die Grafik von santésuisse ist im übertragenen Sinn wie eine Grafik, die die beiden Zahlen 2‘673 und 552 gegenüberstellen und vergleichen würde.
Die Voraussetzungen zwischen den einzelnen Ländern im Generikavergleich sind ungleich komplexer und widersprüchlich. In den verglichenen Ländern gibt es verschiedene Generikadefinitionen, unterschiedliche Abgrenzungen, differenzierte referenzierte Märkte, andere Messkonzepte, unterschiedliche Anteile des Generika fähigen Marktes, etc.
Auf das ewige Gejammer über die doppelt so hohen Preise in der Schweiz gegenüber Deutschland wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst eingehen. Nur eines sei hier angemerkt: Herr Brand verdient in der Schweiz sicher doppelt so viel wie sein Amtskollege in Deutschland. Auch das zahlt der Prämienzahler.
Weiter geht es dann aber auch im Artikel mit der Manipulation: „Für viele patentabgelaufene Arzneimittel stehen seit Jahren Generika mit einem identischen Wirkstoff zur Verfügung. So ist beispielsweise der schmerzlindernde Wirkstoff Paracetamol sowohl im teuren Dafalgan als auch im wesentlich kostengünstigeren «Paracetamol Sandoz» enthalten. Durch den konsequenten Einsatz von Generika könnten pro Jahr mehrere Millionen Franken eingespart werden – ohne Qualitätseinbussen.“
Es wird hier nicht der Vergleich zwischen einem patentabgelaufenen Arzneimittel und einem Generikum gemacht, sondern einer zwischen zweie Generika. Schaut man sich die Sache noch etwas genauer an, ist der Sachverhalt folgendermassen:
Für die kleinste Packung Dafalgan 1 Gramm Tabletten bezahlt man 7.20 Franken, für die Packung Paracetamol Sandoz 7.65 Franken. Nach dem Muster von santésuisse, müssten wir dem Leser jetzt unterschlagen, dass es sich beim Dafalgan um eine 16er Packung und bei Sandoz um eine 20er Packung handelt. Berücksichtigt man das, kostet die einzelne Tablette 0.45 Franken für Dafalgan, bzw. 0.385 Franken für die Sandoz Tablette. Wobei es sich beim Dafalgan um eine Filmtablette handelt, welche wesentliche Vorteile hat, also eigentlich nicht direkt vergleichbar wäre. Genau genommen kommt es die Versicherungen sogar noch günstiger, da ja Packungsweise verkauft wird und die Dafalgan Packung günstiger ist.
Um beim Dafalgan zu bleiben: Ob es sinnvoll ist, den vom Staat festzulegenden Preis, für eine Packung Schmerzmittel Dafalgan 500 mg, auf 2.45 Franken vorzuschrieben (also Billiger als eine Packung Ricola!), ist eine andere Geschichte.
Für uns ist klar: wenn man mit manipulativen Argumenten einen Systemwechsel zum Referenzpreis erzeugen will, hat man scheinbar keine guten Argumente – weil es für die Schweiz dafür keine Argumente gibt.
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